Samstag, 31. Oktober 2009

Nancy


„Nancy! Komm sofort hierher!“ Wieder einmal brüllte ihr Vater hinterher.

Nancy war 19 und lebte noch bei ihren Eltern. Eigentlich wollte sie schon längst ausgezogen sein, bisher konnte sie sich aber noch keine Wohnung leisten. Zuerst waren ihre Eltern erfreut gewesen, doch zumindest ihr Vater schien es jetzt zu bedauern. In letzter Zeit gab es viele Gerüchte und Stimmen, die um Nancy laut wurden. Auch stand schon öfters die Polizei vor der Tür. Das passte Mr. Richards nicht. Er war ein angesehener Mann und wollte nicht, dass es Gerüchte gab, aber was wollte er tun? Sei eigen Fleisch und Blut vor die Tür setzen?

Nein! Soweit wollte er dann doch nicht gehen.

Schließlich konnte sie ja nichts dafür. Der Psychologe hatte doch eine leichte Schizophrenie festgestellt. Das ist nicht ihre Schuld!

An diesen rettenden Gedanken hatte er sich geklammert, seit das mit Nancy angefangen hatte.

Doch was er heute gesehen hatte, brachte das Fass zum Überlaufen!

„Was will der den jetzt schon wieder?“ fragte sich Nancy sichtlich genervt. Sie legte die Zigarette, die sie sich grade gedreht hatte aus der Hand und ging aus ihrem Zimmer.

Provozierend langsam schlurfte sie auf ihren Vater zu.

„Was is denn los?“

Mr. Richards überging Nancys lässige Art zu reden, an der er sich sonst so gern aufrieb und brüllte los.

„WAS LOS IST!?!? Hast du mal in die Zeitung gesehen?“

„Was ist denn da?“ fragte Nancy nun ernsthaft, sie kannte die einzelnen Stufen der Wutausbrüche ihres Vaters. Das war ein großer!

„HIER! Sie dir das Foto an! Los siehs dir an!“

Er hielt ihr die Zeitung unter die Nase und stach mit dem Finger immer wieder auf ein Bild ein.

Nancy faltete die Zeitung auseinander und erschrak, als sie auf das Bild starrte.

Es zeigte sie!

Sie stand auf einem Bordstein und bot sich den Autofahrern an.

Die Bildunterschrift lautete:

„Nancy Richards – Muss sie auf den Strich um die Familie zu ernähren?“

„Du gehst ranschaffen?!“

„Vater… ich… ich weiß nicht wie…“

„Aber ich weiß! Du bist eine kleine undankbare Schlampe, die es zuhause nicht mehr erträgt! So ist es doch?“, brüllte er sie weiter an.

„Antworte mir wenn ich mit dir rede!“

Von der Wut benebelt schlug er zu.

Klatsch

Der Aufschlag hallte durch das ganze Haus und noch viel weiter, wie es den Anschein hatte.

Tausendmal schien er weiterzuhämmern und er dröhnte tausendfach verstärkt in Nancys Kopf. Etwas war in diesem Moment in ihr erwacht

Etwas von dem sie bisher nur durch Gerede erfahren hatte.

Doch nun… sah sie was es tat. Sie konnte es nicht aufhalten… wollte sie es aufhalten?

Doch das war auch egal, nun hatte ihre andere Seite den Körper unter Kontrolle.

Dieses andere Wesen!

„Das war ein Fehler“, hörte Nancy sich selbst sagen.

„Ein Fehler?! Ein Fehler war es ein ungezogenes Blag wie dich in die Welt zu setzen!“

Er wollte noch mal zuschlagen.

Baff

Nancy hatte den Schlag abgefangen und ihrem Vater stattdessen die Faust ins Gesicht gerammt. Blut rann ihm aus der Nase und sie juckte es noch einmal zuzuschlagen.

Doch sie nahm ruhig ihr Messer aus der Tasche und klappte es auf.

„Was soll ich nun mit dir machen? Dich aufschlitzen?“

„Was soll das!? Bist du übergeschnappt?“

Mr. Richards sah in ihre Augen und beantwortete seine Frage selbst.

„Falsch Antwort“ kicherte Nancys anderes Ich und stach zu.

Die Klinge bohrte sich durch den Hals und lies das Blut langsam daran hinab fließen.

NEIN!
Nancy konnte es nicht fassen! Sie hatte eben ihren Vater getötet!

„Hat dir das nicht gefallen?“ hörte sie etwas in sich fragen.

„Vielleicht gefällt dir ja das Blut deiner Mutter besser“

„Nein… lass deine dreckigen Finger von ihr“

„Meine dreckigen Finger? Sind es nicht vielmehr deine, die das Blut deinen Vaters zieren?“

„Hör auf!“

Den letzten Satz hatte Nancy gebrüllt. Sie schien es geschafft zu haben. Sie bewegte ihre Finger und wischte sich das Blut ab.

„Für diese mal hast du gewonnen, aber ich werde…“

„Gar nichts wirst du! Wenn ich dich noch einmal in mir spüre, werde ich UNSER Blut fließen lassen. Auch wenn ich sterbe, sind alle andern sicher vor dir!“

Das hatte gewirkt!

Die Stimme war verstummt und seitdem nie wiedergekehrt.

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